Schwarzer Humor vom Feinsten: ein filmischer Volltreffer von der grünen Insel
THE GUARD | John Michael McDonagh | Irland, Großbritannien 2010
Im wilden Westen Irlands ist die Welt noch in Ordnung. Hier wird kaum einem Schaf etwas zuleide getan. Die raue Landschaft Connemaras ist dramatischer als das Leben dort. Der Dorfbulle Gerry Boyle (Brendan Gleeson) ist dort schon eine Ewigkeit im Dienst. Drogen, Prostitution, Alkohol und Korruption sind seine Welt, er bekämpft sie nicht, er geht mit ihnen um. Mit stoischer Ruhe lässt er dem Geschehen in seinem Revier seinen Lauf, greift aber dann beherzt zu, wenn man es nicht erwartet.
Gleich mit der bemerkenswert schwarzhumorigen Eröffnungsszene (die hier nicht nacherzählt werden soll) setzt der Film ein krachendes Zeichen, wie schräg in den folgenden 90 Filmminuten der Hase laufen wird und vor allem, wie speziell der Protagonist tickt. Der weitere Verlauf der außergewöhnlichen Thrillerkomödie wird durch den deutschen Zusatz im Verleihtitel auf den Punkt gebracht: „Ein Ire sieht schwarz“ – und zwar in doppelter Hinsicht.
Ein Mord bringt ungeahnte Unruhe in die beschaulich schrullige Welt von Sergeant Boyle. Ein junger ehrgeiziger Kollege aus Dublin wird ihm zur Seite gestellt. Das allein ist für den bärbeißigen Boyle Grund genug, auf renitenten Konfrontationskurs zu gehen. Als dann noch das FBI die Spur eines internationalen Drogenschmugglerrings bis an die westirische Küste verfolgt und der farbige FBI-Agent Wendell Everett (Don Cheadle) in Boyles Hoheitsgewässern weltmännisch mitmischen will, lässt Boyle mit seiner unnachahmlich zynisch-ruppigen Art den Amerikaner auflaufen und hält mit seinen rassistischen Vorurteilen auch in den unpassendsten Momenten nicht hinterm Berg.
„Du denkst dir ‘Was ist das Schlimmste, was jemand in so einer Situation von sich geben könnte?’. Und er macht einfach weiter.“
so beschreibt Regisseur und Drehbuchautor John Michael McDonagh (Bruder von Martin McDonagh, dem Regisseur von Brügge sehen… und sterben?) das Verhaltensmuster seines Protagonisten, welches von erstklassigem Unterhaltungswert für die Zuschauer ist.
Brendan Gleeson brilliert als authentischer, skurriler Kotzbrocken mit schwermütiger Ader, den man einfach gern haben muss. Don Cheadle ist als blasierter und zunehmend verunsicherter Großstädter der perfekte Gegenpart. Die knackigen Wortgefechte, die sich beide liefern, gehören zu den besten, die in den letzten Jahren in diesem Genre auf der Leinwand ausgetragen wurden.
Visuell gleichermaßen mit Blick für die epische Landschaft und Sinn für das absurde Detail in Szene gesetzt, besticht diese grandiose, derb-schwarze Komödie mit melancholischen Untertönen auch durch die gelungene Verschmelzung von Buddy-Cop-Thema und Western-Topos, wobei letzterer durch die Musik von Calexico auch auf der Tonebene anklingt.
© Die Schnittmeisterin
Filmdaten: