Dieser Text könnte mit dem Bekenntnis beginnen: Ich habe diesen Film gesehen und mich wirklich amüsiert – obwohl ich eine Frau bin. Denn seit sich Jan Henrik Stahlbergs Fikkefuchs dem Kinostart näherte, hat die aktuelle Debatte um sexuelle Belästigung und um Sexismus im Alltag einen neuen Aufreger: Einen kleinen deutschen Spielfilm, gestemmt ganz ohne Fördergelder. Ein „satirisches Spiel mit dem Feuer“, so hat das kleine Team um Stahlberg mit Produzentin Saralisa Volm und Autor Wolfram Fleischhauer den Film 2015 während der Crowdfunding-Kampagne angekündigt:
„Ein kleiner, schmutziger Film. Ein unbequem unterhaltsamer Film. Ein Film, der absolut nicht allen gefallen wird.“
Nun, so scheint es, gefällt der Film tatsächlich sehr vielen Kritikern nicht. Vor allem auffällig vielen Männern. Was natürlich auch daran liegt, dass es mehr männliche als weibliche Filmkritiker gibt. Aber das ist ein anderes Thema – oder auch nicht?
Doch zurück zu Fikkefuchs, dem kleinen Film, der nun so große Aufmerksamkeit bekommt, der Zeitungsredaktionen reihenweise dazu bringt, gleich mehrere Rezensionen zu veröffentlichen, einer positiven Kritik lieber noch eine relativierende bis offen angeekelte hinterher zu schieben. Fast möchte man darauf wetten, dass die positiven Kritiken schon im Sommer direkt nach der Premiere des Films beim Filmfest München ganz unbeschwert geschrieben wurden, während nun im Angesicht von #metoo überkritisch auf alles gezielt wird, was nur annähernd und unter Sexismus-Verdacht fallen könnte.
In dieser aufgeheizten Jagdstimmung ist der Fikkefuchs auf Kinotour. Am Samstagabend war Regisseur und Hauptdarsteller Jan Henrik Stahlberg zu Gast im Mannheimer Odeon. Betrachtet man das Publikum, das sich zur Filmvorführung dieses laut Kritik „frauenverachtenden“, „unangenehmen“ und „ekligen“ „Männerfilms“ gewagt hat, so wäre „Pärchenfilm“ das bessere Label. Das Kino ist gut besucht, Frauen- und Männeranteil ist ausgewogen verteilt – auch in den vielstimmigen Lachern während des Films. Und zum Lachen sind Thorben und Rocky, die beiden „Helden“ des Films wahrlich: Ein um die 50-Jähriger, abgehalfterter Kerl, der Selbstwert und -täuschung daraus zieht, früher einmal der „Stecher von Wuppertal“ gewesen zu sein, während er mit wirrem Haar und altem Hund um die Häuser zieht und sein durch ständigen Porno-Konsum völlig verblitzen und Anmach-Amok laufenden (vielleicht-)Sohn Thorben, der eines Tages vor der Tür steht, nachdem er aus der Psychiatrie geflohen ist, wo er wegen versuchter Vergewaltigung war. Zwei arme Gestalten, die vorführen, wie wenn die Kommunikation zwischen Bedürfnissen und Realität gestört ist.
Es ist immer besser, darüber zu reden. Im Publikumsgespräch nach dem Film wirft zwar keine(r) dem Film Frauenfeindlichkeit vor. Allerdings gibt es Stimmen, die den Film „zu laut“ finden. Stahlberg, der schon 2004 in seinem ersten Film Muxmäuschenstill satirisch extrem überzeichnete und das rabenschwarze belgische Serienkiller-Mockumentary Mann beißt Hund (1992) als prägenden Einfluss nennt, erklärt, dass das durchaus Absicht sei: „damit ich als Zuschauer überhaupt nicht erst denke, ich soll mich mit denen identifizieren. Ich glaube, nur dann kann die Reise beginnen: Wenn ich erstmal ganz klar weiß, ok, das sind echt Honks.“ Und fügt hinzu:
„Deshalb würde ich auch von dem Rezensenten, von der Rezensentin erwarten, wenn diese ironische Stimme aus dem Off kommt, zu sagen: das ist jetzt nicht der Filmemacher, der da spricht“.
Fikkefuchs ist tatsächlich ein „unbequemer“ Film, das haben im Saal viele so wahrgenommen. Ein Zuschauer bekannte abschließend, er sei erleichtert, über dieses Unbehagen auch direkt zu sprechen. Insofern ist die Kinotour von Fikkefuchs ein guter Beitrag zur Sexismus-Debatte. Sprechen könnte man allerdings noch über viel mehr:
Darüber, ob nicht die meisten Hollywoodfilme sexistisch sind. „Ich mag junge Frauen, ich will das junge Reh. Die ausgediente Hirschkuh am Wegesrand interessiert mich nicht“, das würde ein Held wie Tom Cruise (55) im Gegensatz zu Rocky zwar niemals auf der Leinwand sinnieren; doch seine Filmpartnerinnen sind seit Risky Business im Jahr 1983 selbstverständlich niemals älter geworden, wie Meg Shields in ihrem Artikel aufzeigt: „Tom Cruise has an age gap problem and it mirrors Hollywood’s bias against older actresses.“
Oder darüber, ob die zwei Männer, die mir nach der Fikkefuchs-Veranstaltung keine 100 Meter vom Kino entfernt begegnen, auch solche Honks sind, wie Torben und Rocky? Ich werde im Vorübergehen zwar nicht mit „Fotze“, aber mit „Hey, Honey!“ von der Seite angequatscht. Die Sexismus-Debatte kann gerne weitergehen, nur ist Fikkefuchs nicht unbedingt das richtige Opfer.