… und am Ende glitzert er noch nicht mal in der Sonne. Wie enttäuschend.
Robert Pattinson als BEL AMI | Frankreich, Italien, Großbritannien 2012
Bauanleitung für ein Pattinson-Vehikel
(das allerdings voll gegen die Wand fährt)
Das Pattinson-Vehikel sollte auf einem möglichst soliden Fahrwerk aufgebaut sein. Hiermit will schließlich ein Teenie-Idol seine Reise in anspruchsvolleres Terrain antreten – und das ist ein weiter Weg. Besser es holpert und knirscht nicht allzu sehr auf der Fahrt, Robert Pattinson will schließlich gut ankommen als ernstzunehmender Schauspieler.
Ein gutes Buch als Grundlage ist daher nie verkehrt. Am besten ein Klassiker. Guy de Maupassant bietet sich an. Sein Roman Bel-Ami wurde schon mehrmals im Kino Probe gefahren – das wird sicher auch diesmal laufen! Ist ja auch eine gute Geschichte:
Der junge, gut aussehende Georges Duroy steigt schnell in die besten Kreise von Paris auf, ganz einfach, indem er skrupellos die richtigen Frauen manipuliert.
Das ist doch eine Rolle für Robert! Und wenn man es richtig anstellt, sind am Ende alle glücklich: Robert, weil er erfolgreich da angekommen ist, wo er hin wollte. Die Fans von Robert Pattinson, weil sich ihr Edward als Schauspieler jetzt richtig beweisen durfte und ihre Eltern aufhören werden, den blassen Twilight-Vampir zu belächeln. Der Rest der Kinobesucher, weil sie einen guten Film gesehen haben. Und die Produzenten, weil ihr Vehikel richtig gut Geld einspielt. Doch halt! Noch ist niemand am Ziel. Das Ding ist noch nicht mal fahrtüchtig. Zunächst muss jemand viel Geld in die Hand nehmen und dieses Wunder-Vehikel überhaupt produzieren: das macht am besten Simon Fuller als ausführender Produzent.
Simon Fuller? Ist das nicht der Erfinder des American-Idol-Franchise? Der Manager der singenden und tanzenden Spice Girls und der kleidertragenden und fußballspielenden Beckhams? Genau der. Und damit der Mann für dieses Projekt. Er weiß, wie man Celebrities erschafft und promotet. Jetzt wird er eben mal ein Teenie-Idol zum Charakter-Darsteller promoten. Zwar im Kino, statt auf Bühne oder Laufsteg, aber das ist ja kein Hexenwerk, alles kalkulierbar. Am besten man nimmt von allem gleich zwei:
Zunächst also: Zwei Regisseure. Declan Donnellan und Nick Ormerod. Es schadet nichts, dass diese relativ unerfahren sind. Im Gegenteil: So ist noch vor dem ersten Drehtag sichergestellt, dass keine künstlerischen Unwägbarkeiten in die Produktion einfließen, mit einer persönlichen Regie-Handschrift etwa. Es reicht doch völlig, wenn sich ein in Kostüm und Klischee gehüllter Bilderbogen auf der Leinwand entfaltet. Das mag vielleicht ein wenig uninspiriert wirken, diese Aneinanderreihung von Szenen – allerdings steht (respektive: sitzt, oder besser noch: liegt) Robert Pattinson in jeder Szene im Mittelpunkt. Das ist doch genau die Sonderausstattung, die ein Pattinson-Vehikel ausmacht. Darum geht es doch: dem blassen Vampir bei seiner Verwandlung zum Schauspieler zuzusehen. Irritierend nur: Warum zucken Georges „Bel Ami“ Duroys Mundwinkel immer wieder so verräterisch? Er wird doch nicht etwa? Doch, genau, es fängt mit „V“ an. Nein, nicht „Vampir“, Verführung ist das Stichwort! In den Bettszenen kommen seine Mundwinkel dann zur Ruhe, zur Abwechslung zuckt nur sein blasser Hintern. Eigentlich eine runde Sache, nur schade, dass auch sein Charakter so blass bleibt, dass all die Verführung, der Sex und die Intrigen einem irgendwann am … Abend sehr redundant vorkommen.
Da nutzen dem motorlahmen Pattinson-Vehikel auch die zwei Monteure, bzw. Filmeditoren nicht mehr viel. Da können diese noch so erfahren sein, so wie Masahiro Hirakubo und Gavin Buckley. Die beiden haben sicher ihr bestes versucht, den ganzen Bett-, Flanier- und Salon-Sitz-Szenen in ihrer Aneinanderreihung noch ein Mindestmaß an dramaturgischer Spannung und Tempo einzuhauchen. Doch das Vehikel will einfach nicht in Fahrt kommen.
Wohl deshalb drücken die beiden Filmkomponisten Lakshman Joseph de Saram und Rachel Portman so richtig auf die Tube. Dabei schaffen sie es, die gefällige Postkarten-Inszenierung mit ihrem breiten Score nahezu luftdicht zu versiegeln. Wie kann man auf die Idee kommen, so noch die Kurve zu kriegen?
Immerhin muss sich durch die clevere „Doppelpack“-Strategie kein einzelner richtig verantwortlich fühlen für den drohenden künstlerischen Totalschaden.
Grund zur Trauer gibt es höchstens um die gestandenen Schauspielerinnen, die beim unvermeidlichen Crash unter die Räder kommen: Christina Ricci, Uma Thurman und Kristin Scott Thomas. Die drei Damen werden zur Staffage degradiert – schaffen es dabei aber trotzdem noch, Robert Pattinson im Spiel die Schau zu stehlen.
Da steht das Pattinson-Vehikel jetzt also, voll vor die Wand gefahren. Robert Pattinson hat sein Ziel nicht erreicht, stattdessen ein paar grobe Schrammen abbekommen. Hinter dem Steuer aber sitzt Simon Fuller, sieht die ersten Leute herbei eilen und grinst: Genug Schaulustige gibt es bei Unfällen ja immer. Schön, dass die vielen Mädels („Robert!“) und ihre Mütter („Literaturverfilmung“) an den Kinokassen auch noch dafür zahlen.
(Kirsten Kieninger)
Filmdaten:
Titel: Bel Ami
Produktionsland: Frankreich, Italien, Großbritannien
Produktionsjahr: 2012
Länge: 102 Min.
Verleih: Studiocanal Filmverleih
Kinostart: 03.05.2012
Regie: Nick Ormerod, Declan Donnellan
Drehbuch: Rachel Bennette, Guy de Maupassant
Kamera: Stefano Falivene
Montage: Masahiro Hirakubo, Gavin Buckley
Musik: Rachel Portman, Lakshman Joseph De Saram
Hauptdarsteller: Robert Pattinson, Christina Ricci, Uma Thurman, Kristin Scott Thomas, Colm Meaney
Haha, sehr schön!
Ein blasser Hintern – keine ganz so runde Sache.