Bollywood goes USA und Zeitgeschichte
Karan Johar | MY NAME IS KHAN | Indien 2010
Die Anwesenheit des indischen Superstars Shah Rukh Khan bei der Premiere von My Name is Khan auf der diesjährigen Berlinale war viel wert. Auf eBay wurden für zwei Tickets tatsächlich 1004,87 Euro geboten. Bollywood-Kino Fans wird das kaum erstaunen, der neueste Film des Frauenschwarms dagegen könnte sie schon ein wenig irritieren. My Name is Khan bietet kein die Sinne berauschendes Spektakel aus Gesang, Tanz, Herz und Schmerz; stattdessen bricht die aktuelle Zeitgeschichte massiv herein.
Der junge Muslim Rizvan Khan (Shah Rukh Khan) kommt von Indien in die USA. Er hat das Asperger-Syndrom, eine leichte Form von Autismus. Trotzdem schafft er es, das Herz der alleinerziehenden Mutter Mandira (Kajol) zu gewinnen. Obwohl sie Hindu ist, heiraten sie und leben glücklich in einem toleranten Umfeld – bis die Terroranschläge vom 11. September alles verändern und die Familie Khan die aufkommende Fremdenfeindlichkeit bitter zu spüren bekommt. In seiner Not nimmt Rizvan eine verzweifelte Bemerkung seiner Frau wörtlich und macht sich quer durch die Vereinigten Staaten auf, um dem Präsidenten zu sagen: „Mein Name ist Khan und ich bin kein Terrorist“.
Wie eine Mischung aus Rainman und Forrest Gump bewegt sich Khan durch den Film und handelt auf seinem Weg gleich alle großen Themen ab: Behinderung, Vorurteile, Rassismus, Religion, Islamisten, Terroristen, die USA von Bush bis Obama, und sogar Hurrikan Katrina wirbelt noch dazwischen. Das Ergebnis ist eine politisch korrekte Multi-Kulti-Melange voll von plakativen Klischees und gutherziger Naivität, die durchaus ihren Charme hat. Dieses kunterbunte Plädoyer für Toleranz kommt so überschwänglich patriotisch daher, dass selbst Hollywood blass werden könnte. Als Zuschauer kann man irgendwann gar nicht mehr anders, als zu kapitulieren und sich von der filmischen Opulenz einfach überspülen lassen. Soviel Sitzfleisch, wie Bollywood-Filme es traditionell den Zuschauern abverlangen, wird (leider) nicht nötig sein: Regisseur Karan Johar ließ die Original-Fassung von 165 Minuten Länge für den westlichen Markt um fast eine Stunde kürzen.
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© Kirsten Kieninger – zuerst erschienen in der RNZ vom 10.06.2010
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Filmdaten: