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DIE HUMMEL

First Steps & Zweite Chancen – Wie das Leben so spielt

SEBASTIAN STERN | DIE HUMMEL | DEUTSCHLAND 2010

Der folgende Text enthält Spoiler (sprich: es wird u.U. etwas zu viel von der Handlung verraten)

Pit Handlos (Jürgen Tonkel) fährt im dicken SUV durch die Landschaft und telefoniert: „Du ich bin gerade am Festplatz vorbeigekommen, weißt du noch…“. So hört sich das an, wenn der Vertreter für Schönheitsprodukte ein Geschäft anbahnt. Kaltakquise ist sein Ding nicht, lieber grast er seinen „warmen Markt“ ab: Er ruft alte Schulfreundinnen an und verabredet sich mit ihnen unter dem Vorwand der guten alten Zeiten. Dabei führt er sie alle in dasselbe Lokal aus, nur um nach der eingespielten Routine mit viel Rotwein dann zum Dessert seinen riesigen Vertreterkoffer auf den Tisch zu hieven. Mit dieser Masche laviert er sich durch, bis er auf diese Weise seiner Jugendliebe Christiane (Inka Friedrich) gegenübersitzt. Da bekommt die mühsam aufrecht erhaltene Fassade des glücklichen und erfolgreichen Geschäftsmannes dann doch Risse und dahinter sieht es gar nicht gut aus.

Der Spielfilm Die Hummel ist der Diplomfilm von Sebastian Stern, der damit die HFF München absolviert hat. Mit lakonischem Witz und warmherziger Melancholie erzählt er von der Tragik des Scheiterns, von großen Lebensträumen und der unerbittlichen Realität des Alltags. Jürgen Tonkel ist wunderbar als Pit Handlos, dem man von Beginn an anmerkt, wieviel Mühe es ihn kostet, weiterzukämpfen und der erst ganz unten ankommen muss, um dann doch nochmal die Kurve zu kriegen.

Bis es soweit ist, wird der Zuschauer Zeuge, wie sich Handlos immer weiter in seine Notlügen verstrickt und sich so in immer absurdere Situationen manövriert. Auf seinem Weg in die materielle Katastrophe reißt er ganz eigennützig sogar seinen eigenbrötlerischen Freund Hermann (Gerhard Wittmann) mit hinein. Denn um innerhalb des „Strukturvertriebes“ von überteuerter Kosmetika überhaupt Geld zu machen und so seine Schulden in den Griff zu bekommen, muss er neue Vertreter anwerben. Dass Hermann auf diesem Terrain erfolgreich sein wird, scheint aussichtslos, hat der Einzelgänger doch noch nicht einmal einen „warmen Markt“, wo er irgendwelchen Freundinnen Kosmetik aufschwatzen könnte. Er hat allerdings hat er eine alte Mutter, die ihm die  das Altenheim als Markt erschließen könnte. Vielleicht hat er letztendlich mehr Glück als Pit und Hermann weiß ja schließlich gar nicht wie es um diesen wirklich bestellt ist.

Sogar als er schon seine Wohnung verloren hat macht Pit noch vor allen den dicken Macker. Er kommt bei seinem Sohn Flo (Michael Kranz) und dessen Freundin Moni (Steffi Reinsperger) unter – seine Wohnung bekommt angeblich gerade einen neuen Fußbodenbelag. Das Gothic-Pärchen ist wenig erfreut, aber auch in Geldnot, da die Heimarbeit (Kordeln an Plastik-Skelette machen – ein sehr witziges Detail: es gibt also auch Szene-spezifische Varianten der Heimarbeit) nicht wirklich lukrativ ist. Ganz der „erfolgreiche“ Papa reicht er 50 Euro für die Urlaubskasse rüber und darf „gerne“ bleiben. Auch die Beziehung zum Sohn ist finanziell statt emotional geprägt.

Eine Bemerkung von Christiane, dass sie seine Art Leben nicht möge – womit sie allerdings sein erfolgreiches Scheindasein meinte – und wachrüttelnde Worte seines Sohnes sind für Pit schließlich der Auslöser, sich einzugestehen, dass es so nicht weitergeht. Er bekennt sich zu seinen unter den Trümmern seiner Materiellen Existenz verschütteten Sehnsüchten und steigt ganz aus (inklusive eindrucksvollem Abgang bei der Vertreter-Feier), um mit Christiane nochmals einen unverstellten Neuanfang zu wagen.

Leider ist das Ende nicht so stark, wie es sein könnte. Denn hier stolpert der Film in der Zielgeraden genau über das, was ihn über weite Strecken hervorragend trägt: Das angenehm ruhige Erzähltempo  (das aber in manchen Momenten und ausgerechnet am Ende ins allzu Behäbige abgleitet) und die unprätentiösen und unspektakulären Bilder, die den Schauspielern Raum geben, die Szenen zu entfalten (die aber auch immer die Gefahr der konservativen Fernsehspiel-Anmutung in sich tragen).

Insgesamt aber ist  Die Hummel ein sehr sehenswerter, fein beobachteter und mit einer guten Portion tragikomischer Absurdität ausgestatteter deutscher Debutfilm. Ein vielversprechender erster Schritt von Sebastian Stern raus aus der Filmhochschule. Zurecht ist der Film in der Kategorie Spielfilm für den First Steps Award 2010 nominiert gewesen.


© Die Schnittmeisterin 24.08.2010

Filmdaten:

Titel: Die Hummel
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2010
Länge: 87 Min.
Verleih: Movienet Filmverleih
Kinostart: 26.08.2010
Regie: Sebastian Stern
Drehbuch: Peter Berecz, Sebastian Stern
Kamera: Sven Zellner
Montage: Wolfgang Weigl
Musik: Markus Lehmann-Horn
Hauptdarsteller: Inka Friedrich, Jürgen Tonkel, Michael Kranz, Steffi Reinsperger, Gerhard Wittmann

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