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DAS LEBEN IST ZU LANG

Schein und Sein in der Welt des Films

DANI LEVY | DAS LEBEN IST ZU LANG | DEUTSCHLAND 2010

„Ich freue mich, dass sie eine Karte gekauft haben. Damit haben Sie sich gegen das Blockbuster-Popcorn-Kino und für einen komplizierten deutschen Film entschieden“

heißt es zu Beginn. Es kann also keiner behaupten, er sei nicht gewarnt. Das Leben ist zu lang ist keine simple Komödie, sondern eine anspielungsreiche, selbstreflexive Satire. Im Mittelpunkt steht ein 51-jähriger Regisseur, in Alter und Aussehen das Alter Ego von Regisseur und Drehbuchautor Dani Levy und gleichzeitig Wiedergänger des bekanntesten Filmemachers mit jüdischen Wurzeln. Woody Allens Unglücksrabe Zelig und sein Stadtneurotiker Alvy Singer vereinigen sich nicht nur dem Namen nach in Levys Alfi Seliger.

Dessen letzter Film „Das blaue Wunder“ ist lange her und sein Ruf in der Branche ist verhallt. Jetzt muss er sich auf Parties der Filmbranche verzagt an die Leute heranpirschen, um Gehör für sein aktuelles Projekt zu finden. Seit Jahren schreibt er am Drehbuch einer Komödie über den Karikaturenstreit (Arbeitstitel: „Muha-ha-med“), doch Mohammed-Karikaturen und Midlifecrisis scheinen eine schlechte Kombination. Alfi muss sich einiges anhören: „Legen sie mir das Drehbuch aufs Klo“ sagt der Produzent, „Du bist peinlich!“ meint seine 10-jährige Tochter, „Ich brauch einen Mann und kein drittes Kind“ konstatiert seine Frau und hat eine Affäre, seine Bank ist pleite, seine Geldanlage futsch und der Bankberater bekennt heulend „Wenn ich sie letzte Woche angerufen hätte, dann hätte man noch was machen können.“ „Sie haben Darmkrebs“ diagnostiziert sein Arzt, „Sie sind feige“ urteilt sein Psychiater und rät zum Selbstmord.

In einer sehr grotesk komischen Szene scheint ihm das  trotz einiger Pannen und Peinlichkeiten auch zu gelingen. Aber dann geht das Leben gerade so weiter. Womit hat man das verdient? Alfie scheint gerade sein eigenes blaues Wunder zu erleben. Er fühlt sich wie ein „Nebbich“, eine Null, ein Nichts, ein Niemand. Das Schicksal (oder das Drehbuch) scheinen ihm wirklich übel mitzuspielen, dann läuft wieder alles so, wie er es sich erträumt – merkwürdig…. Und sein Arzt (Heino Ferch) sieht die ganze Zeit schon aus wie der Schauspieler Heino Ferch, da muss man doch irgendwann misstrauisch werden. Alfi kommt sich bald vor wie im falschen Film und fängt an zu rebellieren. Und Schnitt!

Dani Levy versammelt für seine schwarzhumorige und selbstironische Reflexion über Schein und Sein des Filmemachens fast die komplette deutsche Schauspieler-Riege: Während sich z.B. Katja Riemann, Otto Sander, Michael „Bully“ Herbig und Dutzende mehr in eigener Person auf der Leinwand tummeln und Til Schweiger in Abwesenheit abgewatscht wird, spielen Meret Becker, Veronika Ferres, Udo Kier, Justus von Dohnanyi, Yvonne Catterfeld, Elke Sommer und Gottfried John (als Schauspiel-Ikone Georg Maria Stahl) „echte“ Rollen. Wie zurückgenommen Markus Hering ( bekannt aus Whisky mit Wodka) als Alfi in all dem Trubel agiert, dessen Tempo und Dialogfrequenz wahrlich Woody-Allen-like ist, gewinnt von Minute zu Minute und trägt auch durch den letzten Teil, wenn dem zwar nicht neuen, doch intelligenten und spaßigen Spiel mit der Filmrealität seine Leichtigkeit und sein Fokus etwas abhanden kommen. Und Schnitt! Eine echte Entdeckung ist Dani Levys Tochter Hannah, die als Filmtochter schräges komödiantisches Talent beweist. Und Schnitt!

Alle, die sich im Kino schon mal über unscharfe Projektion und unpassende Lautstärke geärgert haben, werden diesen Film lieben, zumindest seinen Anfang. Eigentlich sollte alle Filme genauso beginnen wie dieser, dann wäre das (Kino-)Leben wirklich ein Stück besser.

© Kirsten Kieninger – in kürzerer Form erschienen in der RNZ vom 30.08.2010


Filmdaten:

Titel: Das Leben ist zu lang
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2010
Länge: 87 Min.
Verleih: X-Verleih
Kinostart: 26.08.2010
Regie: Dani Levy
Drehbuch: Dani Levy
Kamera: Carl-F. Koschnick
Montage: Elena Bromund
Musik: Niki Reiser
Hauptdarsteller: Meret Becker, Gottfried John, Justus von Dohnanyi, Heino Ferch, Udo Kier, Veronica Ferres, Elke Sommer, Yvonne Catterfeld, Markus Hering, Hannah Levy, David Schlichter

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