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SOUL KITCHEN

Ein Heimatfilm mit Bandscheibe und Buch zum Film

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Fatih Akin | SOUL KITCHEN | Deutschland 2009

Es waren einmal drei Jugendfreunde aus Hamburg. Die verbrachten eine gute Zeit miteinander in Altona und Ottensen. Heute ist einer von ihnen Regisseur, der andere Schauspieler und die dritte Schriftstellerin. Zur Jahreswende 2009/2010 ziehen sie aus, um davon zu erzählen, wie sie vom Lebensgefühl von damals erzählen…

»…als die Mädels auf den Tischen getanzt haben«

– »Und die Jungs auch!«

Adam Bousdoukos und Fatih Akin bei der „Soul Kitchen“ Preview am 19.12.2009 in Heidelberg

Der Regisseur (Fatih Akin) und der Schauspieler  (Adam Bousdoukos) sind im Dezember 2009 unterwegs, um ihren Film „Soul Kitchen“ zu promoten. Die Schriftstellerin (Jasmin Ramadan) wird im Januar 2010 unterwegs sein, um ihr Buch „Soul Kitchen“ zu promoten. Die identischen Titel sind Programm, kommerzielle Manifestationen einer Idee, die im Freundesnetzwerk gemeinsam gestrickt wurde. Die 2 Jungs aus Parallelklassen bilden als Regisseur und Schauspieler schon seit  Akins erstem abendfüllenden Spielfilm „Kurz und Schmerzlos“ von 1998 ein kreatives Team mit gemeinsamem Nährboden.

Für „Soul Kitchen“ hat Akin sein kreatives Netzwerk über das Medium Film hinaus erweitert, indem er die Jugendfreundin, die jetzt Schriftstellerin ist und 2006 den Hamburger Förderpreis für Literatur erhielt, bat „eine literarische Ergänzung zum Film“ zu schreiben. Sie erhielt Einblick ins Drehbuch und ihr Roman »Soul Kitchen – Der Geschichte erster Teil – das Buch vor dem Film« entstand. Doch man muss nicht den Roman gelesen haben, um sich auf den Film vorzubereiten – beide Werke funktionieren auch unabhängig voneinander – gekoppel werden sie vor allem für einen Mehrwert an Vermarktung und so spricht der Regisseur von „Soul Kitchen“ also über die Autorin von „Soul Kitchen“:

»Jasmin Ramadans Roman ist das fehlende Puzzlestück, er macht die Geschichte meines Films rund. Dabei sprudeln die Ideen nur so aus ihr heraus, herrliche Geschichten, auf die ich nicht gekommen wäre. Sehr witzig, sehr traurig, sehr frivol.«

Fatih Akin

Für sein Vorhaben, nach Filmen wie „Gegen die Wand“ und „Auf der anderen Seite“ auch seiner heiteren Seite und seiner Heimatstadt Hamburg Tribut zu zollen und sich das erste Mal an eine Komödie zu wagen, schöpfte zunächst Fatih Akin zusammen mit Adam Bousdoukos aus der gemeinsamen Vergangenheit und schufen damit die Inspiration für die Schriftstellerin:

»Das Drehbuch! Denn da stecken natürlich eine Menge Sachen von uns, von früher drin. Und ich wusste ja schon, dass Adam Bousdoukos, den ich ja auch schon lange kenne, Zinos spielen würde. Beim Lesen des Drehbuchs hatte ich immer schon Adam im Kopf, wie er spricht, wie er früher war…  «

Jasmin Ramadan

Im Film spielt Adam Bousdoukos Zino, der in Hamburg-Wilhelmsburg das „Soul Kitchen“ betreibt. Eine Spelunke, die den Namen Restaurant nicht verdient, denn dazu reichen Zinos „Kochkünste“ nicht aus. Von Beginn des Films an ärgert das Leben Zino vielgestaltig: die Frau vom Finanzamt will Geld, der Herr vom Gesundheitsamt kommt zur Inspektion, die Freundin verschwindet zum Job nach Shanghai, ein alter Schulfreund taucht auf und ist scharf auf seine Immobilie, eine seiner Bandscheiben gibt quälend den Geist auf. So kann es nicht weitergehen: Zino holt sich einen eigenwilligen Koch zur Unterstützung ins Lokal. Als auch noch sein Bruder auf Freigang aus dem Knast kommt und mitmischen will, werden die Karten neu gemischt und das Spiel des Lebens geht weiter wie die Achterbahn: You win some and you loose some…

Die autobiografischen Veratzstücke des Films sind unterschiedlicher Herkunft: Adam Bousdoukos brachte tatsächlich die schmackhafte  Erfahrung mit einem eigenen Restaurant mit. 9 Jahre lang hat er in Hamburg-Ottensen die griechische Taverne „Sotiris“ betrieben:

»Nach „Kurz und Schmerzlos“ hab ich mir gedacht, hol ich mir so’n Restaurant«

Adam Bousdoukos bei der „Soul Kitchen“ Preview am 19.12.2009 in Heidelberg

Fatih Akin dagegen brachte die schmerzhafte Erfahrung mit der Bandscheibe ein. Nach der Fertigstellung von „Gegen die Wand“ hat es ihn erwischt. Der Film hat ihn „fertiggemacht“, wie er sagt. Geheilt wurde er  von einem Freund seines Vaters – mit derselben Methode wie sie der „Knochenbrecher“ im Film praktiziert – auch wenn man das kaum glauben mag.

Vor der Herausforderung, eine Komödie zu inszenieren, hatte Fatih Akin großen Respekt:

»Eine Komödie ist immer noch die Königsdisziplin, die Menschen zum Lachen zu bringen – und das möglichst auf verschiedenen Kontinenten – ist schwieriger, als sie zum Weinen zu bringen.«

Fatih Akin auf der Setpressekonferenz zum Drehbeginn

Und der Druck auf den Regisseur beim Dreh war groß: Mit einem Budget von insgesamt 4 Millionen Euro ist die kleine Komödie für zwischendurch sein teuerster Film bisher geworden. Noch während des Drehs schrieb er am Drehbuch weiter und musste zusätzliche Drehtage dazuplanen. Aber obwohl leichte Komödien immer viel schwerer zu stemmen sind, als es später auf der Leinwand den Anschein erwecken mag, hat sich Akin mit „Soul Kitchen“ nicht verhoben. „Timing“ ist hier das Zauberwort.

»Das ist eine Gratwanderung in jeder Szene, den richtigen Punkt zu treffen, um diese Komik zu erzielen, die uns vorschwebt. Beim Inszenieren und Bewegen der Kamera findet sich meistens sehr schnell, ob die Szene so zu lang ist. Oftmals muss etwas weggelassen werden, damit die Szene besser trägt oder die Komik entsteht.«

Rainer Klausmann während der Dreharbeiten (Film&TV Kameramann 3/2009)

Während der Postproduktion halfen Testvorführungen festzustellen, ob das Timing der Dialoge, Szenen und Pointen in der Montage funktioniert und der Regisseur und sein Filmeditor Andrew Bird haben sich oftmals am Testpublikum orientiert und

»…an den Urteilen der Leute entlanggeschnitten.«

Fatih Akin (Interview im Deutschlandfunk am 23.12.2009)

Mit dem Ergebnis, dass der Film auf der ganzen Länge druckvoll in Tempo und  Timing ist. Dieser Drive wird zusätzlich gepusht durch den Soundtrack mit einer wilden Mischung aus Soul, Funk, Reggae und Rembetiko. So waren auch die Musikrechte der teuerste Posten im Budget des Films. Aber die Einkäufe haben sich gelohnt, denn die mitreißende Musik transportiert viel Lebensgefühl und trägt damit den Film. Das war seit der ersten Drehbuchfassung so kalkuliert – und so hatte auch jede der 13 Drehbuchfassungen ihren eigenen Soundtrack. Mit seinem Produzenten Klaus Maeck hat Akin für ein solches Unternehmen den idealen Partner, da Klaus Maeck früher schon professionell mit Musikrechten zu tun hatte.

Auch bei anderen Schlüsselpositionen der Crew hat sich der Regisseur auf erprobte Mitstreiter verlassen: Rainer Klausmann hat seit „Solino“ von 2002 bei jedem Film von Fatih Akin die Kameraarbeit gemacht.  Andrew Bird hat bisher alle Filme von Fatih Akin geschnitten und erhielt für „Auf der anderen Seite“ den Filmpreis für den Besten Schnitt.

Im Cast tummeln sich bekannte Schauspieler bis in die kleinsten Nebenrollen:  Adam Bousdoukos, Moritz Bleibtreu,  Birol Ünel,  Wotan Wilke Möhring, Demir Gökgöl, Monica Bleibtreu, Catrin Striebeck , Jan Fedder, Peter Lohmeyer, Lars Rudolph, Udo Kier und viele andere mehr. Ein ähnliches deutsches Staraufgebot gab es kürzlich in Tarantinos Inglorious Basterds. Dort ist Moritz Bleibtreu übrigens nicht dabei, weil er für Akins Hamburger Heimatfilm Hollywood und Tarantino eine Absage erteilt hat.

Das haben die Jugendfreunde aus Hamburg wirklich gut gemacht: Sie haben zusammen Spass gehabt und die alten Zeiten aufleben lassen und damit einen Film abgeliefert, der jetzt Spass macht und der auch ein Erinnerungsstück ist, nicht nur an vergangene Zeiten, sondern auch an vergangene Orte. Denn so wie sich Altona seit „Kurz und Schmerzlos“ verwandelt hat, wird sich auch Wilhelmsburg verwandeln – oder besser: verwandelt werden von Leuten, wie dem alten Schulfreund, der jetzt in Immobilien macht. So ist „Soul Kitchen“ ein Heimatfilm der anderen Art: Heimat ist da, wo es gutes Essen und guten Sex gibt – Futter für die Seele. Ein Heimatfilm der aktuellen Art: Er handelt von jemandem, der seine Heimat gefunden hat, sie behalten will und sie verteidigt.

> Offizielle Website zum Film

> Interview mit Adam Bousdoukos (heute.de)

> Interview mit Fatih Akin (Zeit.de)

> Interview mit Fatih Akin (Spiegel-Online)

Filmdaten:

Länge: 99 min
Regie: Fatih Akin
Buch: Fatih Akin
Kamera: Rainer Klausmann
Ton: Kai Lüde
Sounddesign: Andreas Hildebrandt
Montage: Andrew Bird
Produktion: Fatih Akin, Klaus Maeck, Flaminio Zadra
Casting: Monique Akin
Szenenbild: Tamo Kunz
Kostüme: Katrin Aschendorf
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
© Kirsten Kieninger  – 24. Dezember 2009

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