Risse im Alpen-Panorama: Winter-Industrie vs. Natur-Paradies
PEAK | Dokumentarfilm | Regie: Hannes Lang | D, I 2011
„Es rette sich, wer kann!“ Seit Jahrzehnten tummeln sich Wintersport-Fans aus aller Welt in den Alpen, doch die 82-jährige Bäuerin ist eine der letzten ihrer Art. Die meisten Einheimischen sind längst aus den höheren Lagen geflüchtet. Schneekanonen haben Einzug ins Wintersport-Paradies erhalten, denn auch der Winter zieht sich zurück. Die Wintersport-Industrie hat den Kampf mit der Natur aufgenommen, um dem Ansturm der Ski-Fahrer trotzdem etwas bieten zu können.
In dem sehenswerten Dokumentarfilm Peak von Hannes Lang ist in großartigen Cinemascope-Bildern zu besichtigen, welche Wunden bisher in das Alpen-Massiv geschlagen wurden. Will eine Wintersport-Region wettbewerbsfähig bleiben, geht in Zeiten des Klimawandels ohne Speichersee, der die Schnee-Fabrik versorgt, gar nichts mehr. Es sind surreal anmutende Bilder, die zeigen, wie eine künstliche Schneerinne für Ski-Fahrer inmitten von Gestein und Geröll geschaffen und befahren wird. Es wird Vakuumtechnik aus Israel aufgefahren, um an den Alpenhängen einen Schnee-Teppich aufbringen zu können. Es werden riesige Planen ausgelegt, um den Rückgang des Gletschers zu verlangsamen. Die Menschen wirken dabei wie Ameisen.
Dramaturgisch geschickt rückt der Film die Dinge in ihre Dimensionen: Das Staubecken, das riesige Ausmaße hat, wird in der Totale gewaltigen Alpen-Massiv zu einer kleinen Wunde. Doch von diesen gibt es immer mehr. Die Winterindustrie bricht brachial herein in das idyllische Alpenpanorama. Die Montage verdeutlicht das mit plötzlichen lauten und dann wieder weggerissenen Geräuschen, die Mensch und Technik mit in die Natur bringen: Die Motoren der Fahrzeuge, der Lärm der Baustellen, die Musik der Après-Ski-Parties. Die riesigen Wintersport-Retorten-Ressorts sind nach der Saison Geisterstädte: Vögel zwitschern, der Hausmeister sammelt Müll ein.
Währenddessen stirbt das ursprüngliche Leben in den kleinen Alpen-Dörfern aus, nur noch ein paar Alte halten die Stellung. So wie der Almbauer, der im kargen Boden Kartoffeln anpflanzt. Die Kamera folgt ihm dreieinhalb ungeschnittene Film-Minuten, wie er einen Sack Kartoffeln durch das Dorf schleppt. Lange wird er das nicht mehr tun. Denn wie seine Mutter sagt: „Rette sich, wer kann!“
[Kirsten Kieninger, RNZ vom 28.03.2013]
Filmdaten: