Moritz Bleibtreu arbeitet, wo andere Urlaub machen: Parkinsel Ludwigshafen
Es fühlt sich an wie Urlaub an der Nordsee. Der Wind ist frisch, die Wellen der vorbei gleitenden Schiffe plätschern auf die Kiesel am Strand. Das Bier schmeckt, es fehlt eigentlich nur noch das Fischbrötchen dazu. Fast könnte man vergessen, dass der Liegestuhl, in dem man ein wenig fröstelnd sitzt, am Rheinufer in Ludwigshafen steht, dass das dort drüben Mannheim ist, dass hinter einem die Kinozelte aufgeschlagen sind und gleich die nächste Vorstellung beginnen wird. Nach ein paar Tagen am selben Ort entwickelt man eine gewisse Routine und Gelassenheit, ob als Urlauber oder Besucher eines Filmfestivals.
Am frühen Freitag Abend jedoch wird diese Ruhe plötzlich gestört: Ein neuer Gast kommt an. Kaum steigt er aus dem Auto, ist er auch schon in einer Traube von Kameras, Mikrofonen und Menschen verschwunden. Moritz Bleibtreu bekommt nicht viel mit von der Urlaubsatmosphäre auf der Parkinsel: „Ich hab‘ letztlich nur einen Haufen Menschen gesehen, der die ganze Zeit vor mir ging“, erzählt er am Samstag Mittag lachend im Mannheimer Hotel. Mit Urlaub würde er seinen zweitägigen Aufenthalt bestimmt nicht vergleichen, für ihn ist es eher Arbeit. Auch von Fischbrötchen träumt der Hamburger sicher nicht, gab es für ihn doch „Sahnetorte mit 3-fach Zuckerguss“, wie er schwärmt und meint damit den Preis für Schauspielkunst, mit dem er geehrt wurde.
„Grundsätzlich faszinierend“ kommt ihm dabei die Tatsache vor, dass man mit einem Preis belohnt wird „für etwas, was man sehr liebt und auch wahnsinnigen Spaß hat zu tun und was das Prädikat Arbeit auch nicht so wirklich verdient“. Was dagegen wirklich nach Arbeit aussieht, ist der Interview-Marathon, den er absolviert. Die Preisverleihung selbst und ein schnelles Abendessen sind für ihn am Freitag fast die einzigen Verschnaufpausen, denn das Medieninteresse ist groß und wird ihn bis zu seiner Abreise fast non-stop auf Trab halten. Einer Journalistin, die ihn dabei ertappt, dass er im Interview eigentlich dasselbe sagt, wie bei seiner Dankesrede und deshalb wissen will, ob das nicht sehr anstrengend sei, immer wieder dieselben Fragen, entgegnet er schmunzelnd: „Du musst das als Training sehen. Dinge wieder einmal anders zu formulieren, obwohl du eigentlich genau dasselbe sagst, das ist eigentlich ein ganz gutes Training fürs Hirn.“ Und gibt weiter wortreich Auskunft über seine Rolle als Joseph Goebbels („ein Feuerwerk an Figur“) in Oskar Roehlers Film „Jud Süss – Film ohne Gewissen“. Seinen Antworten merkt man an, dass er in den vier Monaten seit der umstrittenen Uraufführung des Films während der Berlinale (wo sich Kritiker nicht scheuten, auch mal laut Buh ins Dunkel zu rufen) schon eine reflexartige Routine entwickelt hat, wenn er über den Film und seine Rezeption spricht. Wenn der Film am 23. September in die Kinos kommt, würde er sich sehr wünschen, dass das Publikum „es schafft – unabhängig von diesem Ganzen, was man gehört hat, sich auf das einzulassen, was da jetzt passiert: nämlich 100 Minuten Film“.
Geduldig und routiniert absolviert er einen Interviewtermin nach dem anderen, am frühen Samstag Nachmittag ist das letzte Interview geschafft, vorher hat er tatsächlich kurz noch einen Happen essen können, gleich wird er Abreisen. „Ich hab leider Gottes echt viel zu wenig gesehen. Aber was ich gesehen habe, ist, dass das ein ganz ganz tolles kleines Festival ist, was sich wirklich um schöne Filme bemüht.“ Also ist Moritz Bleibtreu das Wichtigste doch nicht verborgen geblieben. Es wäre nur schön, wenn sich auch die Sonne mal wieder zeigen und die schafskalte Luft erwärmen würde, sie wird auf der Parkinsel sicherlich gerne wie ein Stargast begrüßt, ein paar wärmende Sonnenstrahlen sind immer eine willkommene Abwechslung zum Tröpfeln des Regens – ob im Kinozelt am Rheinufer oder im Strandkorb an der Nordsee.