Die Große Schönheit: Paolo Sorrentinos bissiger Bilderrausch
Als „Meister der machtvollen Bilder“ wurde Paolo Sorrentino beim Münchner Filmfest mit einer Retrospektive geehrt. Das neueste Werk des italienischen Filmemachers („Il Divo“, „Cheyenne – This must be the Place“) macht diesem Titel alle Ehre: „Die große Schönheit“ ist ein opulenter Bilderrausch, eine Ode an Rom, eine Hommage an Fellini. Grandios gleitet die Kamera durch die Stadt und trifft auf marmorne Statuen und mondäne Zeitgenossen, klassische Bauwerke und moderne Schickeria – und auf Jep Garbadella (Toni Servillo). Der Lebemann lässt sich zum 65. Geburtstag mit einer ausschweifenden Party feiern. Laute Beats dröhnen auf der Dachterrasse, schrille Gäste lassen sich gehen. Vis-a-vis überdauert das Kolosseum das kurzweilige Party-Getümmel. Der Soundtrack zelebriert stupide Party-Beats und die Schönheit sakraler Chorgesänge gleichermaßen. Die ewige Stadt ist das perfekte Setting, um der Vergänglichkeit des Lebens nachzuspüren.
Mit der Figur des Jep hat Regisseur und Drehbuchautor Sorrentino den idealen Reiseführer geschaffen, der den Zuschauer 142 Minuten lang durch einen fantastischen und skurrilen Bilderreigen geleitet. Wie Marcello Mastroianni in „La Dolce Vita“ ist er Society-Journalist mit Schriftsteller-Ambitionen, der nun anfängt seine Existenz im Mittelpunkt des High-Society-Trubels zu hinterfragen. Er geriert sich als zynischer Kommentator des eitlen Treibens, entblößt mit unerbittlicher Treffsicherheit die große Selbstlüge einer Bekannten oder das Pseudo-Geschwätz einer Performance-Künstlerin, die nackt gegen ein Aquädukt rennt. Jep will keine Zeit mehr mit Oberflächlichkeiten vergeuden, durchstreift die Stadt, denkt an seine Jugendliebe zurück, sucht nach Erfüllung. Doch das ist gar nicht so einfach in einer selbstzufriedenen Gesellschaft, in der sogar der Kardinal existenzielle Fragen ignoriert und lieber von exquisiten Kochrezepten schwärmt.
„Die große Schönheit“ ist ein bildgewaltiger Strom von Miniaturen, der um die großen Themen Leben, Liebe und Tod kreist, ein modernes Gesellschaftsbild – poetisch, humorvoll, bissig, sentimental, surreal – und stets umweht dabei eine verführerische Melancholie die grandiose Szenerie, die Rom bietet.
[Kirsten Kieninger, am 25.07.2013 erschienen in der RNZ]
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