Reporter, Rum und Puerto Rico
Johnny Depp auf den Spuren von Hunter S. Thompson
Ohne Johnny Depp gäbe es diesen Film nicht. Ohne Johnny Depp gäbe es noch nicht einmal die Romanvorlage zu diesem Film. The Rum Diary gilt als erster Roman des Gonzo-Journalisten Hunter S. Thompson, Anfang der 60er Jahre geschrieben, aber erst Ende der 90er Jahre aus einer Kiste gezogen – von Johnny Depp, als er mit seinem Kumpel Hunter S. Thompson in dessen Keller herumkramte. 1998 erschien der autobiografische Roman, jetzt kommt der Film.
In Rum Diary gibt Depp zum zweiten Mal das Alter Ego von Thompson. Schon 1998 hat er dem Kult-Autoren in Fear and Loathing in Las Vegas ein filmisches Denkmal gesetzt. War sein Protagonist damals als Raoul Duke glatzköpfig, kugelbäuchig und dauerbedröhnt am Start (und der Film von Regisseur Terry Gilliam ein einziger Trip), so ist er nun als Paul Kemp noch wesentlich adretter, wenn auch schon ständig Alkohol-durchtränkt unterwegs. Während Raoul Duke für den zynischen und wütenden Hunter der 70er Jahre stand (oder vielmehr schwankte), steht Paul Kemp für den jungen Hunter, der noch auf der Suche nach seinem eigenen, unverwechselbaren Stil ist, der dann als Gonzo-Jounalismus Furore machen sollte.
Kemp (Johnny Depp) kommt 1959 nach Puerto Rico, um dort für eine amerikanische Zeitung zu arbeiten, die aber bald nach seiner Einstellung eingestellt wird. Er lässt sich vom Jet-Set-Leben der anderen Amerikaner auf der Insel mitreißen, schaut regelmäßig zu tief ins Glas, bekommt aber trotzdem Einblick in die profit-gierigen Umtriebe der amerikanischen Investoren auf der Insel. Er verguckt er sich in die Freundin eines abgebrühten Bau-Spekulanten und als ihn ausgerechnet der nach einer entglittenden Sauf-Tour aus dem Knast holt, steht er in dessen Schuld…
Versehen mit viel Zeit- und Lokal-Kolorit gleitet der Film wie eine offene rote Corvette durch die landschaftlichen Reize Puerto Ricos. Die Dramaturgie schlingert dabei durch überzeichnete und dabei sehr komischen Szenen des Rum-Rauschs und dessen Folgen, ohne dabei den Anspruch bierernster Sozialkritik verlieren zu wollen. Das will zwar letztendlich nicht recht rundlaufen, doch von dem äußerst unterhaltsam aufspielenden Schauspieler-Ensemble (u.a. Giovanni Ribisi als grotesker Experte für alle Formen des Rausches) lässt man sich trotzdem gern mitziehen.
Hunter S. Thompson | 18. Juli 1937 – 20. Februar 2005
Im Grab umdrehen muss sich Hunter S. Thompson also nicht wegen dieser zweiten (diesmal posthumen) Hommage durch seinen Freund Johnny Depp. Selbst wenn er wollte, er könnte es auch gar nicht, schließlich wurde nach seinem Selbstmord 2005 seine Asche auf seinen eigenen Wunsch mit einer Rakete in die Luft gejagt. Persönlich gezündet von – na, wem wohl?
Filmtalk:
Q&A mit Regisseur Bruce Robinson beim Filmfest München 2012
[audio:http://www.gegenschnitt.de/wp-content/uploads/2012/07/FFM-2012-Rum-Diary-Bruce-Robinson.mp3|titles=Rum Diary – Bruce Robinson Q&A Filmfest München 2012]
Filmdaten: